Nachdem die Odenwälder Kreistagssitzung am 18.7. zunächst vom Kreistagsvorsitzenden Rüdiger Holschuh (SPD) wegen eines vermeintlichen Mangels an dringlichen Vorlagen abgesagt wurde, hatten gemeinsame Anträge der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN das Stattfinden der Sitzung jedoch erzwungen.
Der Vorsitzende der Kreistagsfraktion der Grünen, Jonas Schönefeld, begründet dieses Vorgehen: „Der Erhalt des Odenwald-Schlachthofes in Brensbach und auch die Gründung einer Gigabit Gesellschaft im Odenwald sind zentrale, wichtige Themen, deren Behandlung nicht noch bis in den September verschoben werden darf. Hier hätten jetzt schon die richtigen Zeichen gesetzt werden können. Der Schlachthof in Brensbach ist für die regionalen Landwirte zur Erzeugung von Nahrungsmitteln unabdingbar und seine Zukunft kann nicht auf die lange Bank geschoben werden. Jede Verzögerung der Neuaufstellung und Sanierung des Schlachthofs gefährdet dessen Existenz. Auch die Gründung einer Odenwald Gigabit Gesellschaft duldet keinen Aufschub. Das digitale Zeitalter wartet nicht auf die Odenwaldkoalition. Auch dafür hätte man die heutige Sitzung gut nutzen können.“
Statt einer inhaltlichen Debatte bezog sich die selbsternannte „Odenwaldkoalition“ aus SPD, ÜWG und FDP mit Wortbeiträgen von Moritz Promny (FDP) und Tobias Robischon (ÜWG) auf den Paragraphen 24 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Kreistages und beantragte – noch bevor überhaupt inhaltliche Debatten stattfinden konnten – einen „Schluss der Debatte“ herbeizuführen. Den Sinn dieses Paragraphen haben die Koalitionsparteien dabei jedoch mutmaßlich verfehlt, denn Sinn macht die Inanspruchnahme dieses Passus nur, wenn eine Debatte bereits begonnen und z.B. unmöglich in die Länge gezogen wird. Diesem sehr fraglichen Einsatz des Paragraphen 24, dass man die Debatte überhaupt verhindern wollte, stellte sich auch die Grüne Fraktion neben der CDU entschieden entgegen. Elisabeth Bühler-Kowarsch betont als stellvertretende Grüne Fraktionsvorsitzende: „Ein solches Verhalten der Kreiskoalition geht völlig am Interesse der Bevölkerung vorbei, und die einberufene Kreistagssitzung offenbarte sich so als bloßes Machtspiel.“ Ein solches Verhalten habe sie in ihrer 30-jährigen Arbeit im Kreistag noch nicht erlebt.
Der Grüne Kreistagsabgeordnete Wolfram Beck meint dazu: „Das stellt der Kreiskoalition
ebenfalls ein Armutszeugnis in Bezug auf ihr Demokratieverständnis aus.“
Zum Einsatz des Paragraphen 24, mit dem eine komplette Kreistagsdebatte verhindert wurde, die die Kreiskoalition nicht führen wollte, ergänzt der Kreistags- und Landtagsabgeordnete Diefenbach: „Der Einsatz des Rechts sollte immer demokratischen Zwecken dienen. Das wurde heute jedenfalls genau ins Gegenteil verkehrt. Das ist undemokratisch und sehr bedauerlich für die politische Kultur im Kreistag.“
Es wird nun zu prüfen sein, inwiefern eine solche Verhinderung einer Kreistagsdebatte überhaupt rechtlich zulässig ist. Klar ist jedoch einerseits, dass politische Mehrheiten in einem Parlament nicht dazu genutzt werden sollten, um Diskussionen abzubügeln. Die Grünen im Odenwald stehen dafür, wichtige Inhalte zu diskutieren und nicht Debatten zu verhindern.
Demokratie lebt von der inhaltlichen Auseinandersetzung. Darüber hinaus wurde bewusst und ohne jede Not Zeit vergeudet, welche in Anbetracht der Dringlichkeit der zu besprechenden
Themen in den kommenden Monaten schmerzlich vermisst werden könnte. Für die Bürgerinnen und Bürger des Odenwaldkreises sind dies beunruhigende Nachrichten, denn deren Interessen wurden den Eitelkeiten der Regierungskoalition und deren schierem Willen zur Machtdemonstration in beschämender Manier untergeordnet.