Wichtigste Beschlüsse und politische Einschätzung zum Grünen Bundesparteitag vom 11. bis 13. November 2016 in Münster von unserem BDK-Delegierten Frank Diefenbach (hier auf dem Bild mit Tom Koenigs)
Vorbemerkung: Auf dem Hinweg gerate ich am 11.11. in einen Karnevals-ICE nach Köln und ich dachte mitleidig darüber nach, wie stark meine Kopfschmerzen am nächsten Tag wären, wenn ich auch nur Bruchteile derjenigen Alkoholmengen um 10 Uhr morgens getrunken hätte wie all die Leute, die um mich herum standen. Helau!!
Top 1 – Tagesordnung und Grußworte
TOP 2: Festsetzung Tagesordnung und Formalia
Unter dem Motto „Wir bleiben unbequem“ kommen die Delegierten zusammen und beschließen zunächst einmal, dass Daimler-Chef Zetsche am Sonntag ganz normal reden darf und nicht lediglich eine Diskussionsrunde mit ihm stattfindet (vgl. TOP 17).
TOP 3: Politische Rede
Cem hält eine fundierte, aber im Ganzen eher unspektakuläre Rede zur Weltsituation, in der er den Gegensatz von liberalen und reaktionären Kräften am Werk sieht. Er beschreibt uns GRÜNE als Gegenbild zum AfD-Nationalismus und redet dem grünen Engagement für soziale Gerechtigkeit das Wort.
TOP 4: Zukunft Europa
Im Lichte des Wahlerfolges von Trump werden hier vor allem Bekenntnisse zur Offenheit und zur weiteren europäischen Integration abgelegt. Höhepunkt bilden hier die beiden Gastreden von Alyn Smith (MdEP, Schottland), der die EU als „besten Kriegsvermeidungsmechanismus“ bezeichnet und Mithat Sancar (HDP, Türkei), der die Unterdrückungspolitik Erdogans anklagt.
Top 5: Workshops
Hessentreffen
Hier wird neben allerlei Einzelheiten zur Antragslage betont, dass bei den Anträgen zum Ehegattensplitting und zur Riesterrente die Altverträge bzw. „Bestandsehen“ nicht angetastet werden sollten, eine Haltung, die auch ich vertrete, da es für die betroffenen Menschen hier auch um Kalkulierbarkeit politischer Entscheidungen geht.
TOP 6: Sozialer Zusammenhalt
Die Debatte zum sozialen Zusammenhalt stellt neben der Energie- und Verkehrsdebatte einen der Höhepunkte der BDK dar. Die Aussprache zieht sich über 3 Stunden und wird vom Thema „Wiedereinführung der Vermögenssteuer“ dominiert. Ich selbst habe mich gleich zu Beginn in die Rednerbox eingeworfen, um als einer von 20 gelosten Wortbeiträgen gezogen zu werden. Ich habe einige Bemerkungen zur Vermögenssteuer und zur Bürgerversicherung vorbereitet – leider sitze ich vergebens drei Stunden lang mit etwas erhöhtem Puls und bin gespannt, ob ich vor den Delegierten reden kann. Als das dann doch nicht der Fall war, mischt sich leichte Enttäuschung mit dem dennoch guten Gefühl, dass ich mich immerhin eingeworfen hatte! J J
Nach der Antragseinbringung durch Simone Peter spricht Reiner Hoffmann vom DGB, der den sozialen Zusammenhalt als unsere gemeinsame Aufgabe charakterisiert.
Nachdem Winfried Kretschmann eine Rede gegen die (Wieder-)Einführung der Vermögenssteuer hält und dafür auch respektablen Applaus erntet, begeistert Jürgen Trittin die Delegierten mit einer vehementen Rede zugunsten ihrer Einführung. Dabei beklagt er vor allem die Reinvestitionsquoten der produzierenden Wirtschaft, die auch jetzt schon (ohne die Vermögenssteuer) relativ gering seien. An diesem Punkt ist für mich klar, dass die BDK sich höchstwahrscheinlich für den Kompromissvorschlag der Bundestagsfraktion zur Einführung einer „ergiebigen“ Vermögenssteuer entscheidet, was dann auch so geschieht. Deutlichere Anträge, die konkrete Zahlen nennen bzw. auch abgeschwächte Varianten, die die Vermögenssteuer als Instrument nicht einmal erwähnen wollen, fallen bei der Abstimmung durch. Ich votiere sehr überzeugt für den Antrag der BT-Fraktion. Man kann der Ansicht sein, dass eine Vermögenssteuer für „Superreiche“ sowieso nur Symbolpolitik ist, aber: Der Beschluss ist innerparteilich von hoher Bedeutung, da er klar macht, dass die GRÜNEN eine deutliche sozialpolitische Ausrichtung haben.
Weitere Beschlüsse: Abschaffung des Ehegattensplittings, Abschaffung der HartzIV-Sanktionen, Rente auf Basis der Bürgerversicherung gestalten.
TOP 8: 30 Jahre Frauenstatut
Claudia Roth hält eine fulminante Rede (wie man es von ihr nicht anders erwartet hätte) zu diesem parteiinternen Jubiläum und lässt damit die weiblichen, aber auch männlichen Delegiertenherzen höher schlagen. Die Presse stürzt sich auf die tollen Bilder, die der Parteitag bei diesem Thema produziert (alle Frauen werden auf die Bühne gebeten und feiern das Jubiläum, die lila Faust auf der Leinwand im Hintergrund).
TOP 10: Satzung
Anträge für die BDK bedürfen in Zukunft 30 statt bisher 20 Unterstützerunterschriften, was allerdings im Internetzeitalter auch keine unüberwindliche Hürde darstellt. Bei Änderungsanträgen genügen nach wie vor 20 Unterstützer.
TOP 12: Verschiedenes (V-Anträge)
Folgende V-Anträge werden erfolgreich verabschiedet (Details können durch die Antragsnummer im Antragsgrün recherchiert werden):
Bayer-Monsanto-Deal stoppen (V18);
Dringlichkeitsantrag Syrien / Irak (V46);
Keine Waffenexporte in Kriegsgebiete (V49);
Datenmacht der Konzerne beschränken (V59);
Neues Wettrüsten verhindern (V01);
CETA nicht zustimmen (V55+31);
Nachhaltig produzieren (V65);
Freifunk fordern (V57);
Cannabis legalisieren (V51);
Antibiotikaresistenzen verhindern (V39)
TOP 16: Religions- und Weltanschauungsfreiheit
Volker Beck hält die Einbringungsrede und fordert Freiheit für Religiöse und Religionsfreie. Gastredner Heiner Bielefeldt (Theologe) fordert einen Kampf für Religionsfreiheit „mit heißem Herz und klarem Kopf“. Es wird im Wesentlichen der Leitantrag des BuVo beschlossen.
TOP 17: Energie- und Verkehrswende
Das ist der letzte große Tagesordnungspunkt, der zugleich auch zum zweiten Höhepunkt der BDK wird. Nach der Auftaktrede von Simone Peter spricht Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. „Ohne Verkehrswende wird die Energiewende nicht gelingen“, so sein Credo.
Im Anschluss redet Cem und baut die Brücke für den Auftritt Zetsches, der mit großer Spannung erwartet wird. Als Zetsche seine Rede beginnt, demonstrieren ca. 30 Vertreter*innen der Grünen Jugend ihren Unmut vorne am Bühnenrand; mit aufgeklebten Schnurbärten a la Zetsche fordern sie auf einigen Schildern ironisierend „Feinstaub statt Elektrosmog“. Die Aktion wird dann auf Bitten von Bundesgeschäftsführer Michael Kellner heruntergefahren und nach ca. fünf Minuten beendet.
Ich bin froh als die GJ wieder Ruhe gibt, denn schließlich wurde Zetsche ja von den GRÜNEN eingeladen. Dass viele von uns das kritisieren (auch ich), weil dies alleine der BuVo nach Antragsschluss beschlossen habe, steht m. E . auf einem anderen Blatt. Ich persönlich wäre dafür gewesen, seine Redezeit zu streichen und stattdessen in eine größere Diskussionsrunde einfließen zu lassen. Dieser Antrag bekam jedoch keine Mehrheit. Stattdessen also nach seiner Rede, die unspektakulär und abgelesen war, nur eine kleine Podiumsdiskussion mit Zetsche, Barbara Lochbihler, einem Vertreter der BAG Mobilität und einer WWF-Vertreterin. Die Diskussion verläuft unspektakulär, bei Nachfragen zu Rüstungsgeschäften Daimlers reagiert Zetsche stark ausweichend mit dem Hinweis, es sei nicht Daimlers Aufgabe, Rüstungsexporte zu überprüfen.
Beschlüsse bei diesem Tagesordnungspunkt waren außer dem Leitantrag: Kohleausstieg bis 2025;
Ende des Verbrennungsmotors bis 2030
Persönliche Gesamteinschätzung:
Die BDK in Münster war von einem tollen Klima getragen, die Stimmung war durchweg produktiv und motivierend. Vor allem die Beschlüsse zur Sozialpolitik (Vermögenssteuer; Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen, …) haben der BDK einen echten Schub verliehen. Man mag die Beschlüsse zur Vermögenssteuer halbherzig nennen (weil nur „Superreiche“ betroffen sein sollen), ich finde sie richtungsweisend und für die Parteiseele absolut notwendig. Klar, mehr geht immer, aber auch weniger hätte herauskommen können und das wurde in diesem Fall verhindert. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können die Beschlüsse dieses Parteitags offen vor sich hertragen.
Frank Diefenbach