B90/Die Grünen Odenwald veröffentlichen nachfolgend die Stellungnahme des BUND Odenwald zur Informationsveranstaltung des Regierungspräsidiums Darmstadt.
Wir erklären hiermit übereinstimmend mit dem BUND Odenwald:
Eine Verhinderungspolitik im Interesse der Minderheit ist nicht akzeptabel.
BUND Odenwald: Regionalplan Südhessen – eine verpasste Chance
(Copyright 02.05.2019, Harald Hoppe, Sprecher BUND Odenwald/Text ist urheberrechtlich geschützt)
Am Mittwoch, den 08.05.2019 informierte das Regierungspräsidium die Bürgerinnen des Odenwaldkreises über den aktuellen Diskussionsstand des Regionalplans Südhessen.
Kennen Sie auch aus ihrer Schulzeit das Gefühl des Fremdschämens, wenn ein Mitschüler etwas völlig Falsches beitrug, und sich dessen nicht bewusst war? Die es besser wussten, konnten dann ihr Wissen wunderbar anbringen – andere schwiegen betreten.
Dieses Gefühl war über weite Strecken der Veranstaltung in Erbach gegenwärtig. Es fing beim Statement des Erbacher Bürgermeisters Dr. K an: ‚Ich will im Odenwald keine Windräder sehen!‘ Eine Verbeugung vor denen, die sich der Kenntnisnahme des Klimawandels verweigern. Kein Wort über die Frage, wie Erbach seine Energieversorgung in Zukunft gestalten will – nur platter Populismus.
Die leider gar nicht vernünftigen Windkraftgegnerinnen zeigten durch ihr ungezogenes Verhalten ihren Zorn, nicht aber ihre Fähigkeit zu einem rationalen Diskurs. Es ist wahrhaftig beschämend, wenn man erwachsene grauhaarige Männer als Anwesender zu einem respektvollen Verhalten ermahnen muss und als Reaktion noch angepöbelt wird.
Beschämend war auch das Statement einer jungen Frau, die die Fachleute des Regierungspräsidiums völlig unangemessen aufforderte, ‚sich doch bitte erst mal richtig zu informieren‘. Als ob der komplexe Plan bei Aldi im Wühltisch abgegriffen wäre und nicht von fachlich qualifizierten Menschen in jahrelanger Beschäftigung mit den grundlegenden Kriterien ausgearbeitet worden wäre. Auch ihr Vorwurf der Bestechlichkeit der Politiker offenbarte nur ihre eigene Überheblichkeit, war er doch mit keinerlei Fakten unterlegt. Dies ist ein bewährtes Mittel der Kommunikationstechnik, mit unbewiesenen und stets wiederholten Behauptungen eine
Stimmung zu erzeugen. Einer der Höhepunkte des Fremdschämens.
Über die inhaltlichen Kriterien des Regionalplans erwies sich das Publikum in seiner lautstarken Mehrheit völlig uniformiert und in der Reflexionsfähigkeit überfordert. Als die Mitarbeiterin des RP das Ausschlusskriterium ‚Naturpark‘ vortrug, brachen die Windkraftgegner in ein lautes Gelächter aus. Dies belegte aber leider nur, dass sie den Sachverhalt nicht verstanden haben. Der Odenwaldkreis liegt seit 2008 eben nicht mehr in einem Naturpark. Der anwesende damalige Landrat schwieg dazu, warum er seinerzeit nichts gegen diese Entwicklung unternommen hat. Aber vor 10 Jahren breitete sich im gesamten Kreisgebiet ein Aufatmen ob dieser Entscheidung aus. Denn damit war dem beginnenden Kampf der Naturschutzbehörde gegen die Schwarzbauten der Bevölkerung in der Landschaft der Boden entzogen. Keine ‚Vernunftbürgerinitiative‘ erhob 2008 ihre Stimme zur Erhaltung eines Schutzstatus‘, von dem der heute ersehnte Ausschluss der Windkraftnutzung im idyllischen Odenwald hätte bewirkt werden können.
Die inhaltliche Diskussion wurde von einem Rentner dadurch bereichert, als er mitteilte, er könne anhand von im Internet verfügbaren Satellitendaten die Windgeschwindigkeiten in 140m Höhe über den Bergen bestimmen. Bleibt die Frage, warum man zur Bearbeitung solcher Aufgaben üblicherweise Meteorologen mit leicht größeren Rechnern als ein Laptop betraut, die Jahre und viel Geld erfordern, wenn die Antwort doch ‚auf der Straße liegt‘.
Politische Bedeutung hatte dann die Aufforderung von Horst Schnur, der die Bürger zu zivilem Ungehorsam gegen die Regionalplanung aufrief. Das ist insofern bemerkenswert, als der Aufrufende durch seine Karriere im eben diesem politischen System persönliche Vorteile erfahren hat gegen welches er nun mobilisiert. In seiner Zeit als Landrat hat Schnur alles getan, um bürgerliches Engagement für den Naturschutz zu konterkarieren. Beispiele sind das Durchziehen von Baumfällungen zugunsten des Straßenverkehrs, die Demontage der Mitwirkungsrechte von Umweltverbänden im Naturschutzbeirat, die Förderung von Fehlentwicklungen im Schienenverkehr und im Straßenbau – alles exemplarische Durchsetzungen von Mehrheitspositionen gegenüber Minderheiten des Naturschutzes.
Der Informationsabend in der Werner-Borchers-Halle war insgesamt nur ein Podium für die zu erwartende lautstarke Minderheit der NimHihos (nicht-in-meinem-Hinterhof), die nur ihre eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse akzeptieren, alles andere aber als Lüge kennzeichnen, mit zwei Ausnahmen:
Der anwachsende Bestand des Schwarzstorches im Odenwald fand offenbar nicht im erforderlichen Umfang Eingang in die Ausschlusskriterien. Die Rücknahmen von Vorrangflächen infolge von Gutachten belegen dies. Zu Recht wurde auf den Missstand hingewiesen, dass das Beteiligungsverfahren keine Handhabe bietet, durch Beauftragung von Gutachtern durch die Regionalversammlung derartige Fachfragen nach der Bürgerbeteiligung zu klären. Wenn Bürgerinnen Gutachten bezahlen müssen, stärkt das nicht das Vertrauen in die fachliche Integrität der Datenbasis.
Der zweite berechtigte Einwand, dass der Artenschutz nach dem Buchstaben des Bundesnaturschutzgesetzes nicht das erfüllt, was der Gesetzestext eigentlich gewährleisten soll, ist ein in Fachkreisen seit Jahren bekanntes Übel. Aber dieses Übel wird von der Berliner Politik gesehen, akzeptiert und nicht unterbunden. Dies ist der einzige Punkt, bei dem zwischen den ‚Vernünftigen‘ und dem BUND eine Übereinstimmung in der Beurteilung herrscht. Die daraus zu ziehenden Konsequenzen sind aber maximal voneinander entfernt. Der BUND-Odenwald fordert eine Stärkung der Befugnisse der Naturschutzbehörden durch Änderung des Gesetzes und eine personelle Verstärkung der Naturschutzbehörden um den Faktor 4.
Die ‚Vernünftigen‘ fordern den windradfreien Odenwald, der aber mit den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht zu haben ist. Die genehmigten Windräder sind sichtbarer Beweis. Es kann als ein Versagen des demokratischen Gefüges gesehen werden, wenn sich an der Windradfrage die Bereitschaft zur Verneinung demokratischer Prinzipien entzündet. Die irrationalen Momente der Windkraftgegner – religionsartige Insignien, äußere Kennzeichnung, liturgiehaftes Auftreten und liturgische Textwiederholungen – sind im Jahr 2019 bedenklicher als der eigentliche Inhalt der Thematik erwarten lässt.
Die jetzt vorgestellte Planungsalternative – strittige Flächen werden einfach ausgeklammert – macht die inhaltliche Arbeit der letzten 5 Jahre zunichte. Die Differenzen werden durch diese Methode nicht ausgeräumt, notwendige Entscheidungen werden verschoben. Der BUND plädiert für eine umgehende Verabschiedung des Regionalplans einschließlich aller vom RP vorgeschlagenen Vorrangflächen im Interesse der Mehrheitsbevölkerung des Planungsraums.
Eine Verhinderungspolitik im Interesse der Minderheit ist nicht akzeptabel. Der Rechtsweg steht denen offen, die das dafür erforderliche Kleingeld haben. Es gibt ausreichendes Finanzpotential von interessierter Seite für diesen Weg.