Rede zum Haushalt des Odenwaldkreises 2017

Haushalt, Kreis Odenwald, Populismus, AfD, Höcke, SS, NSDAP, Wannsee, SPD, CDU, FDP, Fraktion, Klimaschutz, ÖPNVTransparenz in unserer politischen Arbeit ist uns wichtig. Deshalb informieren wir über wichtige Meilensteine – und veröffentlichen hier die Rede unserer Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen Odenwaldkreis, Elisabeth Bühler-Kowarsch, anlässlich der Verabschiedung des Kreishaushalts am Montag, den 6.2.3017.
(Es gilt das gesprochene Wort.)

Sehr geehrter  Herr Vorsitzender,
sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wieder einmal stehen wir vor der Verabschiedung eines Kreishaushaltes und ich habe mir im Vorfeld meine Rede vom vergangenen Jahr angesehen. Zugegeben, das ist ja noch nicht so lange her, denn der Haushalt für 2016 wurde erst im Juli verabschiedet.

Viele Punkte könnte ich eins zu eins einfach übernehmen, vielleicht würde es sogar niemand merken.

Das macht aber auch deutlich, dass  wenig Dynamik zu spüren ist, manchmal habe ich das Gefühl, dass sich alle mehr oder weniger zufrieden geben mit dem Status quo und  sich arrangiert haben. Ganz besonders schnell ging das offensichtlich bei der Kreis CDU, die die neue Zusammenarbeit mit der SPD nicht genug loben kann.

Der Stil dieser neuen Koalition ist aber nicht von Offenheit geprägt, von dem Versuch Entscheidungen transparent  herbeizuführen.  Die Entscheidungen sind bereits getroffen, bevor sie überhaupt ins Parlament oder  in die Ausschüsse kommen.  Bei der  H.- und F.-Sitzung am vergangenen Dienstag gab es überhaupt keine Diskussionen. Eine gespenstische Situation! Dafür standen die Stellungnahmen von SPD und CDU bereits am Donnerstag im Odenwälder Journal.

Und ein weiteres  kleines Beispiel für den Stilwechsel ist die neue Sitzordnung bei den Ausschuss-Sitzungen – auf der einen Seite die „Regierung“ und auf der anderen Seite alle anderen Ausschuss-Mitglieder und  davon  noch einmal ein Stück entfernt die übrigen Kreistagsmitglieder, die teilnehmen. Das  ist sicher nur ein kleines Mosaiksteinchen,  aber es macht deutlich, wer hier  das Sagen hat und trägt auch ein stückweit zu Politikverdrossenheit bei.

Rechtspopulismus und Rechtsextremismus

Aber ich möchte bevor ich zum eigentlichen Haushalt komme, einige Gedanken voranstellen, die mich gerade in den letzten Tagen und Wochen ungemein beschäftigen und ich frage mich, ob wir uns als Odenwälder Kreistag nicht viel stärker engagieren müssten, um den Anfängen von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus zu wehren.

Hier würde uns Grüne einmal eine Stellungnahme der AFD Kreistagsfraktion zu den Aussagen von Herrn Höcke interessieren: die Deutschen seien „das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt pflanzt“ und er fordert eine „erinnerungspolitische Wende um 180°.“

Beim 75. Jahrestag der „Wannsee-Konferenz“ war ich in Berlin und konnte an verschiedenen Veranstaltungen dazu teilnehmen.  Gerade in der heutigen Zeit, sind die Lehren aus der Geschichte wichtiger denn je.

Fünfzehn hochrangige Vertreter der SS, der NSDAP und verschiedener Reichsministerien berieten bei dieser Konferenz  über die Kooperation bei der geplanten Deportation und Ermordung der europäischen Juden.

Das Protokoll der Wannsee-Konferenz „dokumentiert mit erschreckender Deutlichkeit den Plan zur Ermordung aller europäischen Juden und die aktive Beteiligung der deutschen Staatsverwaltung an diesem Völkermord“.

Es ist schwer vorstellbar, dass diese Verbrechen ohne Wissen von breiten Bevölkerungsgruppen geschehen konnten.  Daher ist es auch heute wichtig, sich auch im Odenwald gegen jede Form von Rassismus und Menschenverachtung zu engagieren und den in einem unvorstellbaren  Ausmaß wieder möglichen rechten Parolen entgegenzutreten.

Das auf unsere Initiative hin, wenn die Umsetzung auch Jahre gedauert hat, herausgegebene Buch über die NS-Vergangenheit im Odenwald  von Herrn Strohmenger stößt auf  sehr positive Resonanz. Auch beim  Holocaust-Gedenktag in Höchst  mit Ministerpräsident Volker Bouffier  spielte dieses Buch eine wichtige Rolle.

Nun zum vorliegenden Haushalt für das Jahr 2017. 

Erfreulich ist, dass die Schutzschirmkriterien  ohne große Anstrengungen eingehalten werden können, dank sprudelnder Steuereinnahmen und der Niedrigzinsphase sind große Ausgabenkürzungen vermeidbar. Die Kommunen sanieren sich auf Kosten der Sparer. Dies ist die andere Seite der Niedrigzinsphase. Im Jahr 2020 haben wir einen ausgeglichenen Haushalt, wenn die Prognosen eintreffen. Aber wie wir dann die  angehäuften Kassenkredite  von über 150 Millionen Euro zurückzahlen sollen, ist nicht nur mir schleierhaft sondern  konnte auch von niemandem in der vergangenen H+F Sitzung beantwortet werden.

Im Vergleich zu anderen Schutzschirmkreisen  benötigt der Odenwaldkreis allerdings einen wesentlich längeren Zeitraum, um einen ausgeglichenen Haushalt zu bekommen. Ich denke hierbei nur an den Landkreis Marburg-Biedenkopf und die Stadt Kassel.

Die neue Mehrheit aus SPD und CDU trägt jetzt die Verantwortung für diesen Haushalt.  Dies ist einer Demokratie üblich und völlig normal. Die Tatsache, dass unsere Fraktion in vielen wichtigen Gremien nicht mehr vertreten ist, erschwert. die effektive Arbeit einer kleinen Fraktion.

Wie bekannt lehnt unsere Fraktion unabhängig von der Person die Stelle des hauptamtlichen Ersten Kreisbeigeordneten ab.  Diese Stelle ist Bestandteil des Haushalts 2017 und daher auch ein Grund für uns, diesen Haushalt abzulehnen. Das haben wir bereits in der vergangenen Sitzung verdeutlicht. Wir hätten uns gewünscht, dass der Kreisausschuss in seiner Gänze an der Arbeit des Kollegialgremiums beteiligt wird. Dies ist auch in der neuen Konstellation von SPD und CDU nicht gewünscht.

Regionale Wertschöpfung erhöhen

Wir sehen eine Chance den Odenwaldkreis wirtschaftlich voran zu bringen, wenn die regionale Wertschöpfung vor Ort in vielen Bereich  vielfältig  gestärkt wird.

Mit dem Beitritt zur Rhein-Main-Region (20.000 Euro im Haushalt) ist dazu ein erster  Schritt getan.  Am 1. Januar 2018 entsteht im südlichen Odenwaldkreis eine neue Stadt. Um diese Region  zu stärken, halten wir  einen schnellen Beitritt auch zur  Metropolregion Rhein-Neckar für ein starkes Zeichen. Uns fehlt ein fester Beitrittstermin des Odenwaldkreises zu dieser Metropolregion.

Vor Jahren wurde unser Antrag zur  regional-biologischen Schulversorgung angenommen.  Aber an der Umsetzung mangelt es bis heute. Auch die konsequente Umsetzung dieses Beschlusses, wäre ein Schritt,  um den Landwirten  vor Ort einen sicheren Absatzmarkt zu garantieren.

Wie der Tourismus vor Ort gestärkt werden kann, wenn die Mittel für die OTG von 142.000,– auf 80.000,– gekürzt werden, ist für uns nicht schlüssig begründet Im Ausschuss wurde dazu lediglich mitgeteilt, dass die OTG die fehlenden Mittel von Dritten bekommen sollte.

Im Bereich Standortmarketing setzen wir darauf, dass der Odenwaldkreis seine Stärken  zwischen den Metropolregionen Rhein-Main und Rhein-Neckar besser nutzt. Dazu gehört für uns, dass eindeutig geklärt wird, wie geht es weiter mit der OREG und wann wird der Aufsichtsrat neu besetzt.

Die Einsparungen bei der OREG von fast 500.000 Euro sind kein Verdienst der neuen Koalition sondern wurden durch eine interfraktionelle Arbeitsgruppe schon der vergangenen Legislaturperiode auf den Weg gebracht.

Seit Jahren dümpelt das Projekt „Park für grüne Technologien“ am Hainhaus vor sich hin. Auch das eine vertane Chance, um unsere Region zu stärken.

Der Odenwaldkreis muss personell und ideell dem Denkmalschutz mehr Aufmerksamkeit schenken. Denkmalschutz ist eine optimale Stärkung des heimischen Handwerks und obendrein ein gutes Mittel, die kulturelle und regionale Identität des Odenwaldkreises zu stärken. Für den Tourismus ist der Erhalt unserer Kulturbauten geradezu unerlässlich.

Klimaschutzpolitik

Die Klimaschutzmanager machen zweifellos eine gute Arbeit. Das Projekt Elektromobilität  begrüßen wir, ebenso die Tatsache, dass die Grundschule Beerfelden und die Turnhalle auf LED-Technik umgerüstet werden (Investitionen von insgesamt 37.500,– Euro). Auch viele kleine Schritte führen zum Erfolg.  Den Beitritt zu der Initiative „100 Kommunen für Klimaschutz“ unterstützen wir.

Was uns GRÜNEN aber fehlt, ist ein Masterplan für den Odenwaldkreis, wie das Ziel 100 Prozent erneuerbare Energien erreicht werden kann und in welchem Zeitraum.  Hier erkennen wir seit Jahren keinen Fortschritt oder auch nur deutliche Schritte, um dieses Ziel zu erreichen. Das wären die beste Image-Werbung für unsere Region, ein wichtiger Beitrag zum Standortmarketing und ein Vorzeigeprojekt für Interessierte. Wir könnten wir zeigen,  wie der Odenwaldkreis dieses  hoch gesteckte Ziel erreicht und dass wir in Sachen Energiewende „gut aufgestellt“  sind.

Aber nur wenn der ÖPNV weiter  gestärkt wird, können ambitionierte Klimaziele erreicht werden. Die Preispolitik des RMV für den ländlichen Raum  ist hier kontraproduktiv und die Preisstufe 3 ist ein Standortnachteil für den Odenwaldkreis

Wenn die Stadt Frankfurt von Tarifnachteilen betroffen ist, dann meldet sich Oberbürgermeister Peter Feldmann sofort lautstark über die Medien zu Wort – aus dem Odenwald hört man allenfalls von einer Protokollnotiz. Es ist klar, der Odenwaldkreis am südlichsten Zipfel des RMV ist ein Anhängsel, aber trotzdem  hat auch der ländliche Raum berechtigte Interessen, die es zu verteidigen gilt.

Seit Jahren hoffen wir, dass  das Modellprojekt „Garantiert mobil“ in die Erprobungsphase geht. Nunmehr soll endgültig der Startschuss am 1. September 2017 erfolgen, wir sind gespannt. Das Buchungsportal wurde mit einer Summe von 500.000 Euro vom  Land Hessen unterstützt, sonst hätten wir dieses ehrgeizige Projekt nicht stemmen können.  Wir brauchen aber auch eine Bestandsgarantie der  bestehenden Buslinien, sie müssen das Rückgrat unseres ÖPNV im Odenwald bleiben. Garantiert mobil kann nur eine Ergänzung und Verbesserung des Angebotes sein und kein Ersatz.

Neu ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Städte und Gemeinden finanziell an Garantiert mobil beteiligen sollen, damit es annehmbare Preise für die Fahrgäste gibt (Taxomobil). Es bleibt abzuwarten, wie die Städte und Gemeinden darauf reagieren, denn dieses neue Element wurde bisher noch nirgends diskutiert. Wir hoffen nicht, dass es dadurch zu unterschiedlichen Preisen in den Städten und Gemeinden kommt, wenn die eine Kommune bereit ist, mit zu finanzieren und die andere nicht.

Die Einführung eines hessenweiten Schülertickets für 365,– Euro im Jahr finden wir toll. Es ist günstiger als das MobiTick und gilt für Fahrten in ganz Hessen. Eine gute Werbung bei jungen Menschen für den ÖPNV. Anders als Landrat Matiaske sehen wir  hier schon noch Marktpotenziale, da dieses Ticket zum einen günstiger ist und für ganz Hessen gilt.

Nach wie vor ist die Odenwaldbahn ein Erfolgsmodell, aber mit Kapazitätsengpässen in den Hauptverkehrszeiten.  Auch die Odenwaldbahn kann einen Beitrag zum Klimaschutz erbringen. Die Dritte Generation der Triebwagenserie Talent funktioniert mit einem Brennstoffzellenantriebe. Diese Fahrzeuge können ihre Brennstoffzellen aufladen, solange sie unter einer elektrischen Oberleitung fahren und  dann längere Strecken ohne Oberleitung fahren, so dass eine komplette Elektrifizierung der Odenwaldbahn  nicht nötig wäre. Um den ÖPNV im Odenwaldkreis zu stärken können auch Jobtickets einen Beitrag leisten.

Gesundheitszentrum Odenwald – Hausarzt-Versorgung

Es ist kein Geheimnis, das wir als GRÜNE hundertprozentig unser kommunales Krankenhaus unterstützen. Erfreulich ist auch, dass die Psychiatrie am 1. April 2017 eröffnet, dort neue, qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden und wir endlich eine wohnortnahe Versorgung psychisch Kranker anbieten können.

Dabei ist die langfristige Finanzierung des Gesundheitszentrums sicherzustellten, damit kein Privatisierungsdruck entsteht.

Aber nach wie vor ist die Hausarzt-Problematik trotz Konzepten und finanzieller Unterstützung durch das Land nicht gelöst. Wohnortnahe Hausarzt-Versorgung ist eine Voraussetzung dafür, dass Menschen in der ländlichen Region bleiben oder auch hierher ziehen.  Wir sind gespannt auf das Modellprojekt in der Oberzent, das im ersten Quartal 2017 beginnen soll. Die Überversorgung in den Städten darf nicht zu einer Mangelversorgung auf dem Land führen. In dieser Frage ist die Bundesebene gefordert.

Dass  nunmehr  – auf unsere Antragsinitiative hin – der Pflegestützpunkt – seine Arbeit aufgenommen hat, ist erfreulich und ein Gewinn für unseren Landkreis. Die Rückmeldungen sind sehr positiv.

Wir haben uns natürlich auch die Frage gestellt, warum wir diesem Haushalt nicht einfach zustimmen sollen, da er zum einen die Schutzschirmkriterien einhält und Projekte, die das Land mitfinanziert zum Beispiel der Neubau der Psychiatrie und Garantiert mobil, die wir auch immer unterstützt haben.

Aber wir lehnen die Stelle des Ersten Kreisbeigeordneten ab, wir sind in vielen Gremien nicht vertreten, in denen wichtige Entscheidungen fallen und Entscheidungen sind bereits getroffen, bevor in den dafür vorgesehenen Gremien darüber diskutieren wird.  Uns fehlen darüber hinaus ein Masterplan für die Energie- und Verkehrswende, eine schnellere Umsetzung der medizinischen Versorgungszentren (Hausarztversorgung), ein Konzept, um die regionale Wertschöpfung im Odenwaldkreis zu erhöhen und aktueller denn je verstärkte Aktivitäten des Kreises gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus.